In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich das gesellschaftliche Verhältnis zum Thema Masturbation grundlegend geändert. Was lange Zeit komplett tabuisiert wurde und pseudowissenschaftlich als krankhaft galt, wird mittlerweile von den meisten Menschen als das gesehen, was es ist: eine schöne Möglichkeit, sich selbst geile Gefühle zu verschaffen; ein Weg der Verbindung mit dem eigenen Körper; eine Chance auf Erregung und Entspannung. Und damit eine gesunde Sex-Option für all diejenigen, die Lust darauf verspüren.
Viele Menschen haben eine individuell perfektionierte Routine, wenn es um Selbstbefriedigung geht, andere haben diese noch gar nicht für sich entdeckt. Für wieder andere hat das lustvolle Erkunden des eigenen Körpers vielleicht nicht immer eine große Rolle gespielt oder war schambehaftet, was ganz verschiedene Gründe haben kann. Als Inspiration für alle, die Neues entdecken, ihre Routine mal ein klein wenig zu verändern, oder sich langsam ans Thema herantasten wollen, stelle ich euch hier einige spannende Herangehensweisen vor.
Setting
Wo machst du es dir besonders gern? Ist es das gemütliche Bett, die warme Badewanne oder ein ganz anderer Ort? Sitzt du, liegst du, lehnst du? Mit oder ohne Bilder oder Videos, am Handy oder im Kopf?
Wenn das Ganze für dich eher Neuland ist, schau dir mal deinen Tagesablauf an und finde Zeiten, in denen du sowieso schon bewusst (oder bisher unbewusst) Zeit mit deinem Körper verbringst: das kann unter der Dusche oder danach beim Eincremen sein, nach dem Aufwachen oder vor dem Einschlafen im Bett. Denn generell gilt: Neues immer so niederschwellig wie möglich in das eigene System integrieren.
Für alle, die bereits einen guten Zugang zu ihrer Masturbations-Routine haben, kann es interessant sein, gelegentlich kleine Veränderungen einzubauen und so das eigene Repertoire spielerisch zu erweitern. Das kannst du schon beim Setting machen, oder aber auch durch neue Bewegungen und Berührungen – dazu gleich mehr!
How to start
Sex und Genuss kann man sich auf viele verschiedene Arten nähern, und unterschiedliche Bedürfnisse bestimmen die Herangehensweise! Wer Hunger hat und schnell satt werden will, macht sich gleich an den Hauptgang; für die schnelle Befriedigung gibt es Fast-Food und ein 5-Gänge-Menü wird langsam und bewusst genossen. Ganz grundlegend kann man sagen, dass Diversität und „mal dies, mal das“ ein meist sehr hilfreiches Konzept für eine erfüllte und flexible Sexualität ist. Aber was heißt das für die Masturbation?
Wem es in erster Linie um den Orgasmus geht und wer den Weg dahin effektiv angeht, wird wahrscheinlich beim Selbstbefriedigen schnell an die ,,orgasmic spots“ wollen – Klitoris, Eichel, Penis streicheln, reiben oder anspannen; Druck ausüben an der Vulva, in der Vagina oder den Penis umfassen – je nachdem wie man es sich gut angelernt hat und was zum Orgasmus führt.
Wenn du diesen ,,effektiven Weg“ für dich noch nicht entdeckt hast oder neugierig auf andere, spannende Gefühle bist, dann hier ein Vorschlag zum Einstieg aus meiner sexualberaterischen Praxis: Mach es dir bequem und beginne mit ein paar tiefen Atemzügen. Wenn du am Rücken liegst, komme in eine entspannte Haltung mit aufgestellten Knien und starte jetzt aus der Mitte deines Körpers, indem du das Becken leicht vor und zurück schaukelst. Das ist genauso wie Cat-Cow beim Yoga, nur in liegender Position. Oder so, als würdest du etwas mit deinem Becken ausschütten (dabei kommst du automatisch etwas ins Hohlkreuz) und dann wieder herholen (dabei wird der Rücken rund und presst sich an den Boden). Diese Bewegung kannst du in slow motion machen oder immer schneller werden – finde deine Geschwindigkeit und spüre mal, was es mit dir und deiner Intimregion macht.
Damit sich Erregung gut im Körper verteilt, ist es hilfreich, wenn man nicht durchgehend angespannt ist, den Atem anhält oder nur eine einzige Körperstelle berührt. All das kann trotzdem super funktionieren und Lust braucht sowohl die Entspannung (am Anfang) als auch die Anspannung (wenn es Richtung Orgasmus geht). Dennoch ist es oft ein super Tipp zum Initiieren oder Antreiben der Lust, den gesamten Körper mit einzubeziehen. Räkeln, das Becken bewegen und schaukeln oder im Liegen ein kleines bisschen „tanzen“ , können sich super anfühlen. Auch den Atem kann man bewusst vertiefen, wenn man bemerkt, dass er feststeckt oder man ihn anhält. Probiere mal aus, dir aktiv vorzustellen, er würde direkt in deine Geschlechtsteile fließen – dabei geht es nicht um esoterische Energien, sondern darum, die Durchblutung zu fördern und erregende Gefühle im ganzen Körper zu spüren. Kurzer Spoiler: wenn du das nicht gewohnt bist, kann dein Körper auch erst mal mit Unverständnis reagieren und sich komisch anfühlen. Das Stichwort hier lautet: Wiederholen. Lieber oft und kurz als selten und lang.
Where to touch
Auch hier kann es spannend sein, den ganzen Körper zu integrieren: streichle und berühre dich – wenn du nicht weißt wo, entscheide dich einfach mal für ein Körperteil außerhalb der Intimzone – z.B. Bauch, Arme, Hals, Po, Brust, Gesicht – und erkunde es so, als würdest du es zum ersten Mal spüren und kennenlernen. Dabei kann für manche schon eine ganz leichte Berührung mit den Fingerspitzen viel auslösen, andere reagieren erst bei leichtem Druck. Probier herum und lass dich nicht gleich davon abschrecken, wenn etwas nicht sofort unendlich geil ist. Jeder Mensch hat unterschiedliche Spürerfahrungen gesammelt, und wenn du etwas (noch) nicht gewohnt bist, wirst du es weniger intensiv spüren. Trotzdem gilt: solltest du schon gut wissen, was dich erregt, switche hin und her zwischen dem alt Bekannten und dem Neuen. So bleibst du in der Geilheit, kannst dir aber nach und nach neue Spürerlebnisse dazu erobern.
Und klar: ab zwischen die Beine, wenn du es nicht mehr aushältst, wenn es sich richtig anfühlt oder du das Gefühl hast, dass da jetzt noch mehr ist an geilen Gefühlen.
Getting to the point?
Mit Vulva und Vagina, Penis und Hoden, und sowieso jedem Geschlechtsteil (ganz egal woraus es besteht und wie es aussieht) kann man ganz unterschiedliche Dinge anstellen, die Lust bereiten. Zum Beispiel mit der ganzen Hand Druck ausüben oder sich punktgenau auf einzelne Stellen konzentrieren. Reiben, drücken, kreisen, die Vorhaut vor- und zurückziehen (meistens beim Penis, aber auch die Klitoris hat eine kleine Vorhaut), den Vagina Eingang stimulieren oder mit Fingern oder Toys das Innere erkunden (hier reagieren die meisten eher auf Tiefendruck als auf Oberflächenberührung), den Damm oder After mit einbeziehen und und und…
Jede Stelle unseres Genitals kann lustvoll besetzt sein, das Potenzial für geile Gefühle ist aufgrund der Vielzahl an Nervenenden an Klitoris und Eichel besonders hoch, aber es kann theoretisch an jeder Körperstelle geweckt und gepflegt werden. Dafür gilt immer: erst mal vertraut machen und dann immer wieder aktivieren. Das ist einfacher, wenn man die Benefits von Masturbation für sich schon kennt – denn was sich gut anfühlt, wiederholen wir gern. Es ist aber auch nie zu spät, lustvolle Gefühle neu kennenzulernen, denn zum Glück können wir ein Leben lang dazulernen. Einige Ideen zur Weiterentwicklung habt ihr gerade schon gelesen, wie immer gilt hier natürlich: Was für dich gut funktioniert ist richtig und es ist genauso valide, auf nichts davon Lust zu haben. Denn Masturbation ist völlig selbstbestimmt. Und damit auch eines der besten Felder der Selbstexploration, die man sich vorstellen kann.
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