Mythos „Jungfernhäutchen“

Berühmt-berüchtigt: Das Jungfernhäutchen. Jahrhunderte lang galt der Riss des Häutchens als der Entjungferungsprozess bei Personen mit Vagina, der oftmals mit Scham behaftet war. Neuerdings haben Forscher:innen aber herausgefunden, dass das Jungfernhäutchen gar nicht existiert. Wieso bleibt der Mythos also bestehen?

Der Mythos des „Jungfernhäutchens“

Das Wort „Jungfernhäutchen“ ist ein Kompositum aus „Jungfer“ (also Jungfrau) und „Häutchen“. Es soll sich also um ein Häutchen handeln, dass nur Jungfrauen haben, dies stimmt aber nicht. 

„Hymen = Jungfernhäutchen; dünne sichel- bis ringförmige Schleimhautfalte, die die Scheide der Frau teilweise verschließt. Beim ersten Geschlechtsakt (Defloration, Entjungferung) wird das H. meist unter Blutung eingerissen. Die vollständige Zerstörung des H. erfolgt bei der ersten Geburt.“ 

Diese Definition steht bis heute in vielen Lexika unter dem Wort: Jungfernhäutchen/Hymen. In der Sexualkunde in der Schule und in Teenie-Magazinen werden ähnliche Aussagen getroffen. Dieses sagenumwobene Körperteil haben Ärzt:innen noch nie in dieser Form zu Gesicht bekommen und interessanterweise ist schon seit einer Weile klar, dass es dieses Häutchen so auch gar nicht gibt. Die Erfindung eines verschließenden Häutchens ist ein soziokulturelles Konstrukt, das einen tief sexistischen Ursprung hat. Dieser basiert auf Moralvorstellungen und der Kontrolle weibliche gelesener Personen und deren Lust statt auf biologischer Forschung. Wir schauen uns die Realität hinter dem Mythos an.

Der Ursprung des „Jungfernhäutchens“

Die Idee eines Jungfernhäutchens ist bis heute auf der ganzen Welt zu finden und in allen Weltreligionen vertreten. Die Jungfräulichkeit von weiblich gelesenen Personen wird also schon seit Jahrtausenden thematisiert und die Keuschheit einer weiblich gelesenen Person wird oftmals mit Reinheit verbunden wodurch weiblich gelesene Sexualität eingeschränkt wird. In vielen Religionen wie z.B dem katholischen Christentum wird viel Wert darauf gelegt, dass Menschen keinen Sex vor der Ehe haben. Da angenommen wurde, dass Personen mit Vagina ein Jungfernhäutchen haben, das beim ersten penetrativen Sex reißt und blutet wurde dies als Kontrollinstanz von Jungfräulichkeit verwendet. So wird beispielsweise in manchen Kulturen (bis heute) ein mit Blut beflecktes Lacken nach der Hochzeitsnacht aus dem Fenster des neuen Paares gehalten, um die Entjungferung einer Person mit Vagina öffentlich zur Schau zu stellen. Wenn auf dem Laken kein Blut war, wurde dies äußerst problematisch für Personen mit Vagina. Früher wurden weiblich gelesene Personen aber sehr jung an deutlich ältere männlich gelesenen Personen verheiratet. Die unterschiedliche anatomische Entwicklung haben oftmals zu Verletzungen und Blutungen geführt.

Bis heute werden Hymen-Rekonstruktions-Operationen angeboten, damit weiblich gelesene Personen ihre Keuschheit beweisen können. Dieser Eingriff ist in vielen Ländern wie z.B. Deutschland nicht standardisiert und somit auch äußerst gefährlich. In anderen Ländern wiederum werden sie in sämtlichen Praxen durchgeführt, müssen aber privat bezahlt werden.  Dieser Eingriff wird auch dann nur für sehr viel Geld, wie z.B. 3000 Euro angeboten, obwohl die Operation schon ab 100 Euro durchgeführt werden könnte. Falls der Eingriff schief geht, kann dies auch zur Genitalverstümmelung führen.

Es bleibt also zu sagen, dass es selbst nach dem Eingriff keine Garantie dafür gibt, dass Personen mit Vagina beim penetrativen Sex bluten werden. Dass aber sehr viele weiblich gelesene Personen sich dennoch dieser Operation unterziehen oder andere Methoden anwenden, um ihre Keuschheit zu beweisen, reflektiert den Druck, dem Personen mit Vagina gesellschaftlich ausgesetzt sind. 

Was ist das Hymen eigentlich?

Das Hymen ist weder eine Haut noch ein Membran, welche die Vagina verschließt und durchbrochen werden kann. Stattdessen ist es ein Schleimenhautsaum bzw. -kranz. Es umrahmt den Eingang der Vagina und ist dehnbar wie ein Haargummi. Es gibt sehr viele verschiedene Formen, in denen es auftreten kann. Bei circa 80 Prozent ist das Hymen ringförmig (eine rundliche Öffnung in der Mitte), bei circa 19 Prozent fransig (mehrere längliche Öffnungen) und bei circa einem Prozent ist es entweder siebförmig (also hat mehrere kleinere Öffnungen) oder zweigeteilt (hat also zwei Öffnungen). In sehr seltenen Fällen ist das gesamte Hymen zusammen gewachsen oder hat zu kleine Öffnungen. Dies nennt sich Hymenalatresie und muss ärztlich behandelt werden. 

Der Vaginaleingang ist bei Föten im Mutterleib zunächst verschlossen, damit sich die Sexualorgane ohne Einwirkung des Fruchtwassers entwickeln können. Kurz vor der Geburt öffnet sich der Eingang aber. Vor der Pubertät ist das Hymen noch etwas fester und nicht so dehnbar. Mit dem Eintreten der Pubertät und der damit zusammenhängenden Hormonumstellung werden Milchsäurebakterien gebildet. Diese dienen als Schutz für die Vagina und der Schleimhautsaum wird weicher und dehnbarer und hat keine weitere Funktion.

Jungfernkranz Faktencheck

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