Love Your Pussy – eine geführte Audioreise

Befreiung ist ein langsamer Prozess. Manchmal muss man dafür mit 31 Jahren dahin zurück, wo man mit neun Jahren schon gewesen ist: zum Taschenspiegel zwischen den Beinen. Denn seit heute findet ihr die neue geführte Audioreihe “Love Your Pussy” mit Sex-Expertin Paula Lambert auf CHEEX, und ich probiere sie für euch aus.

Mein unerforschter Winkel

Durch meine Arbeit für CHEEX weiß ich, dass es nie leicht ist, sinnlich mit sich selbst umzugehen. Man muss sich dafür Zeit gönnen, aber die haben wir nicht. Und es stimmt: So viel Aufmerksamkeit wie heute schenke ich meiner Vulva sonst nicht mal beim Masturbieren. Wir kommen wirklich blendend miteinander aus, aber ich behandele sie oft eher wie eine alte Bekannte. Routiniert. Wir wissen, was wir mögen und verlassen uns darauf. Was ich darüber oft vergesse ist, danach zu suchen, welche Abenteuer es sonst noch für uns gibt. Neue Erfahrungen bereichern jede Beziehung, auch die zum eigenen Körper. Das bestätigt auch Paula, gerade eben im Audio.

Paula Who?

Paula Lambert beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Sexualität. Das hört man. Da spricht diese Frau, die auch Journalistin, Autorin, Podcastern und Kolumnistin ist, mit einer absoluten Ruhe und Normalität über die Vulva, das gesellschaftlich tabuisierte und vernachlässigte Genital. Denkt man darüber nach, sind Erfahrungen wie diese Audioreihe eigentlich politische Arbeit. Wir werden für eine dezidierte Zeit daran erinnert, dass das, was durch die Benutzung des Wortes “Vagina” sprachlich lange unsichtbar gemacht wurde, unsere Aufmerksamkeit verdient. Dazu kommt, dass die Vulven, die wir in gängigen Pornos sehen, nicht ‘echt’ sind. Oft sind die Schamlippen beschnitten, Teile gestrafft oder sie werden gebleicht, um jünger auszusehen. Je mehr wir solche Formen sehen, je weniger wir uns die eigene anschauen, desto unpassender erscheint sie uns. Geht natürlich gar nicht. Also legen wir los.

Masturbation und Meditation

Ihre dreiteilige Audioreihe kann man sich vorstellen wie eine geführte Meditation. Gerade der erste Teil, das ‘Vulva-Watching’ ist fast schon safe for work. Doch jedes weitere Audio wird expliziter, bis zur geführten Masturbation. So geht man jedes Mal eine Stufe tiefer, kann die Erfahrung im Ganzen machen, so wie ich, oder je nach Gusto aufteilen. Denn sich so mit seinem Selbst zu befassen, ist nicht leicht. Das kenne ich schon von Meditationen.

Wenn ich mal versucht habe zu meditieren, saß ich oft da und strafte mich und meine ausschweifenden Gedanken, dachte an all die Dinge, für die meine Zeit besser genutzt werden könnte, oder die Musik gefiel mir nicht. Doch diesmal klappt es, vielleicht auch, weil es ein ungewöhnliches Experiment ist und kein “Ziel” hat. Außer vielleicht, später diesen Text zu schreiben.

Paula stellt mir bedeutungsvolle Fragen wie „Was wird deine Vulva in der Welt ausrichten?“ und ich denke echt darüber nach. Sie klärt mich über Fakten auf, wie das Verhältnis von Nervenenden in Klitoris und Eichel. Verrate ich jetzt nicht, aber so viel: als Mensch mit Vulva ist man dahingehend privilegiert.

Staring is caring!

Ich nehme also den Handspiegel und schaue sie mir genau an, meine Vulva. Ein minutenlanger Staring-Contest mit mir selbst beginnt. Der Spiegel fällt mir aus der Hand. Bin ich nervös? Vielleicht. Mittendrin denke ich an ein Video, indem Fremde sich für 2 Minuten in die Augen schauen und sich dadurch verlieben. So ist es. Mein akzeptierender Blick auf mich selbst entspannt mich merklich, und obwohl ich mich äußerlich betrachte und anfasse, lenkt Paula durch die stimmliche Begleitung meine Gedanken. Langsam sehe sich meine Vulva mit anderen Augen. Sie erinnert mich an eine geknackte Nuss, manchmal auch an ein Tor. An Leben und Lust.

Masturbation ist Meditation, Baby.

Dildos unerwünscht

Ich klinge vielleicht unheimlich faul, aber: Es ist seltsam für mich, dass mein Vibrator in Paulas Audiosession aus dem Spiel bleibt. Meine Selbstbefriedigung ist ziemlich durchchoreografiert. Gerade lerne ich einen neuen, uralten Tanz kennen, aus einer Zeit, in der es nur Finger und Alltagsgegenstände gab. Es ist schön, aber ich fühle mich unbeholfen. Der anleitende Charakter der Audios hilft mir dabei, verschiedene Techniken auszuprobieren. Dabei werden auch die verschiedenen Teile des Genitaltrakts erklärt, ohne dass es komisch ist oder mich rausbringt. Ich berühre mich, ohne direkt auf ein Ziel hinzueifern.

Scham loswerden

Sie sagt, warme Socken helfen, aber dass ich sonst nackt sein soll. Mein Schamgefühl ist weg, kommt wieder, geht. Meine Mitbewohnerin saugt Staub. Ich bin abgelenkt von meiner Nacktheit und den Umgebungsgeräuschen, drehe die Audios im Kopfhörer lauter. Neue Wege bahnen sich, über meinen Körper, raus aus meinem Kopf. Meine Körperlichkeit genießt die Aufmerksamkeit, die ich ihr schenke. Sie öffnet sich. Ich öffne mich. Ich merke, dass ich mich eigentlich sehr schön finde. Ich schreibe eigentlich und will es redigieren, doch es ist wichtig an dieser Stelle. Ein Wort als die Erinnerung, dass es leider zu normal ist, so zu denken. Und dass man auch die unselbstbewusste Seite von sich akzeptieren muss, wenn man über Sex schreibt.

Meine Vulva freut sich über so viel Ehrlichkeit. Sie ist sanft und lebendig. Sie ist aus Seide und Wildnis und Hitze. Ob ich gekommen bin, möchte ich hier nicht sagen. Aber ich bin mir nähergekommen.

Life After Pussy-Meditation

Auch die Tage danach verändert sich mein Selbstbild. Ich bin lieber nackt mit mir, schlafe untenrum nackt. Ich merke, wie ich in einem Zoom-Meeting sitze, und in mich hineinhöre, wo meine Sexualität gerade ist, ob sie Platz hat und sich wohlfühlt. Meine doppelt verschränkte Beinhaltung hinterfrage ich seitdem mindestens genauso oft wie meinen krummen Rücken. Es ist, als hätte ich die Diskussion mit meiner Vulva wieder geöffnet. Da ist jetzt eine Sehnsucht in mir, die geweckt wurde. Nach mehr mir.

Es stimmt: Good Sex is created in the brain. Aber neue Abenteuer kreiert man auch mit dem Körper.

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