Fernab von Rosen und Satin-Bettwäsche – Erika Lust im Portrait

Beliebt, verehrt, verhasst. Bekannt wie ein bunter Hund, mischt Erika Lust seit fast zwei Jahrzehnten schon die Szene auf. Wie es dazu kam und wohin sie ihre Wege führten, halten wir in unserem Portrait über diese schillernde wie auch eloquente Schwedin fest.

Erika Lust? 

Vor 10 Jahren noch hätte man bei diesem Namen seine Stirn in Falten gelegt, und sich gefragt wer sich hinter diesem lüsternen Namen verbirgt. Mittlerweile jedoch ist der Name Programm und gehört schon fast zum guten Ton dazu. Ihre Filme wie auch ihre Mission, ethische und feministische Pornographie zu produzieren, und damit insbesondere die weiblichen Fantasien anzuregen, zu bedienen und über sie aufzuklären haben ihr viele Verehrer*innen und Follower*innen verschafft. Sex darf dirty sein, die Ethik aber nicht. Ein Motto mit dem sie auch nach wie vor, einen Zeitgeist trifft, der neue Generationen von Pornographie erschafft. 

Dank ihr wissen wir nun, dass es zum weiblichen Orgasmus keine rote Rosen und Satin-Bettwäsche benötigt. Nicht im Film und auch nicht in der Realität. Wir können ihr dankbar sein, dass sie in den frühen 2000ern begann eine neue Welt des Kinos für Erwachsene zu schreiben, in der gefälschte Orgasmen und Silikonbrüste durch weibliches Vergnügen und echte zuordenbare Körper ersetzt wurden. 

S-ex-perimental 

In 2004 fing sie an, Pornos zu machen, weil es nicht genug Filme gab, die sich an Frauen wie sie richteten: sexpositive Feminist*innen, die sich auch anmachen und zum Abschalten bringen lassen wollten. “Ich hatte immer diesen großen Konflikt, wenn es um Pornos ging”, sagt sie. „Ich habe die Idee geliebt – es war faszinierend, dass man Menschen betrachten kann, die sexuell interagieren, und sich dadurch angemacht fühlt. Aber ich war so angewidert von dem Inhalt, den ich gesehen habe.“ 

Kurzerhand gründete sie zusammen mit ihrem Mann Pablo Dobner 2005 selbst eine Produktionsfirma, um die chauvinistische Welt des Pornos zu erneuern und sich zu einer Avantgarde des intelligenten, feminine und feministischen erotischen Kinos zu entwickeln. In Neuland gestartet, damals ihrer Zeit einen kleinen Schritt voraus, haben sich bis heute viele neue Gruppen und Stimmen formiert, die sich ihrer Mission angeschlossen oder ihre eigene weiterentwickelt haben. Projekte wie das finnische KUTU Collective, die Berlin Sex School oder auch ThousandFaces Films zeigen verschiedene Bandbreiten einer Pornographie, die frei von Zwängen, und voll von ästhetischen, sinnlich-verspielten und experimentierfreudigen Elementen ist, um nur einige wenige zu nennen. 

Heat Wave

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© Courtesy to Erika Lust Films, Fantasy Hotel

Dass dieser Ansatz nicht nur auf Zustimmung und Akzeptanz stieß, kann man sich wahrscheinlich gut vorstellen. Als Frau ein männerdominiertes Feld aufzuräumen, und vor allem hinsichtlich auch der Produktionsbedingungen neue Regeln aufzustellen, stößt nicht überall auf Zuspruch, vor allem in der hierarchisch strukturierten Pornoindustrie. Aber mit der wollte sie ja sowieso brechen und neues probieren.  Sich (neu) zu positionieren, heißt auch eben anzuecken. Neue Wege zu gehen, bedeutet gleichzeitig auch Fehler zu machen, aus denen es gilt zu lernen. Und das möglichst schnell. 

Sich als feministische Produzentin zu bezeichnen geht auch mit gewissen Rollen und Aufgaben einher, die einzuhalten sind. Nicht zuletzt deswegen gerät sie hin und wieder in Erklärungsnot. Erst letzte Woche flammte die Diskussion um die „Architecture Porn“ Produktion (April 2017) neu auf. Verschobenen Drehpläne, ungeplante Ortswechsel und Vorwürfe zu Sexual Assault werfen viele Fragen auf. Um sich selbst einen Blick auf die gespaltene Lage zu verschaffen, empfehlen wir hier weiter zu lesen: Rooster und Erika Lusts Statement

Viva la Vida 

Erika Hallqvist wurde 1977 in Stockholm geboren und wuchs im überschaubaren Schweden auf. Nach der Schule ging sie an die Universität Lund, wo sie Politikwissenschaften studierte und dort auf Linda Williams ‘1989 erschienenes Buch Hard Core: Power, Pleasure und die “Raserei des Sichtbaren” stieß, das sie einschlägig prägte und ihre Art und Weise Film zu machen, stark beeinflusste.  Auch Jean-Jacques Annauds The Lover, eine französisch-chinesische Liebesgeschichte zu Zeiten der französischen Kolonialherrschaft, war ihr eine wichtige Inspirationsquelle. Mit dem Abschluss in der Tasche und einer Spezialisierung auf Menschenrechte und Feminismus im Gepäck, zog es sie ins warme, pulsierende Barcelona. 

Mit Boot und Bus reiste sie über Kopenhagen zwei Tagelang nach Spanien, und landete in einer raueren Version des heutigen Barcelonas. In einer Stadt wie sie sagt, die sie befreite und ihr ein Gefühl davon gab tun und lassen zu können, was sie wollte.

„Ich hatte keine Augen auf mich gerichtet und war weg von den hohen Standards in Schweden, die mich dazu zwangen, ein gutes, höfliches Mädchen zu sein.“ 
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© Courtesy to Erika Lust Films, Analóxica

Fantasy Confession

Inspiriert von der kreativen Vielfalt feministischer Filmemacherinnen, startet sie vor einiger Zeit in die Xconfessions Series. Eine Serie, in der sie die Fantasien unterschiedlichster Personen in außergewöhnliche Kurzfilme verwandelt, zusammen mit einer Fülle talentierter Frauen vor und hinter der Kamera. Unsere Favourite-Picks aus der Serie zeigen wir diesen Sommer bei CHEEX. Dabei wird’s sommerlich prickelnd mit Analóxica, einer Romanze am Strand mit Real-Life Couple Marc und Iana, gebräunter Haut und viel Salz in den Haaren. Gefilmt wurde an der Costa Brava zusammen Poppy Sanchez, die nicht nur ihr Auge fürs Detail, sondern auch ihre geliebte 8mm Kamera der Szene den unverwechselbar sommerlichen retro Vibe verlieh.

Weiterer Redaktions-Liebling ist die fantastische Orgie Fantasy Hotel: The Gardener von Nikki St. Sasses´s. Die mit ihrer Vision eine Welt kreierte, die wir von herkömmlicher Pornographie nicht gewohnt sind. Wie aus einer anderen Welt verschmelzen drei ölige Körper in blumigen Sphären versteckt in einem Garten. 

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© Courtesy to Erika Lust Films, Sex & Sensibility

Auch mit dabei sind Sex & Sensibility, ein Erlebnis der anderen Art basierend auf einem Roman aus dem Mittelalter. Sounds sexy, huh? We promise you it is!

Horngry, eine Szene die von nächtlichen Feiereien, und morgendlichen Begegnungen erzählt, wie auch Entra´cte: Momentaufnahme eines langjährigen Couples, die mit ihren Fantasien spielen. 

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© Courtesy to Erika Lust Films, Horngry

Wir freuen uns auf den Sommer und sagen Danke Erika, für die Pornographie-Landschaft, die durch dich ein Stückchen offener und diverser geworden ist. 

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