Barrierefreiheit – das ist auch ein Thema für erotische Inhalte. Schließlich leben alleine in Deutschland 7,8 Millionen Menschen mit Behinderungen. Ausgehend von dem Bedürfnis, dass auch Websites barrierefrei sein sollten, tut sich auch in der Erotik Industrie einiges. Bei einigen erotischen Videos gibt es mittlerweile die Möglichkeit, Untertitel zu aktivieren.
Eine Entwicklung des sex-positive porn ist es schließlich, dass oft eine Handlung im Film stattfindet und diese sollte für hör- oder sehgeschädigte Menschen zugänglich sein. Um dies zu ermöglichen, wurde bei vielen Erotik-Videos die Möglichkeit der Audiodespkription eingeführt: Hier gibt eine Erzählstimme die Handlung jedes Clips detailgetreu wieder, zum Beispiel welche Darsteller zu sehen sind, was sie anhaben oder welche Stellungen sie praktizieren. Im Hintergrund läuft dabei weiterhin der Originalton der Videos.
Unter diese Kategorie fällt auch Audio Porn, der ganz ohne Bild funktioniert und das erotische Erlebnis nur via Tonspur erzählt. Das funktioniert wie ein Hörspiel, nur geht es hier um aufregende und erotische Begegnungen bis hin zum Sex. In unserem LISTEN Bereich findet ihr unsere aufregenden Audio Geschichten.
Playboy für blinde Menschen
Neben diesen Neuerungen gibt es zahlreiche Erotik-Projekte aus der Offline-Welt: Eines, das uns besonders gefällt, ist der Playboy für blinde Menschen von Künstlerin Lisa J. Murphy aus Toronto. Murphy glaubt, dass wir in einer hochgradig sexualisierten Welt leben, die oft Sehbehinderte zurücklässt. Aus diesem Grund beschloss sie, selbst etwas zu dagegen zu unternehmen. Entstanden ist so ihr künstlerisch angelegtes Buch: “Tactile Mind“. Der Tastbildband wurde 2007 veröffentlicht, erhielt aber erst zwei Jahre später mediale Aufmerksamkeit. Ihre Veröffentlichung enthält mehrere 3D-Bilder von nackten Frauen und Männern zusammen mit Beschriftungen in Braille – die Schrift, die blinde Menschen übers Tasten lesen können.
Das Buch hat mit umgerechnet gut 200 Euro einen stolzen Preis, was dem aufwändigen Herstellungsprozess geschuldet ist: Die Fertigung eines solchen Bildes dauert laut Murphy bis zu 50 (!) Stunden. „Zuerst habe ich meine Freunde in Unterwäsche fotografiert, dann die Bilder vergrößert und sie von Hand in Ton geformt”, erzählt sie. „Dann machte ich Thermoform-Kopien. Dafür habe ich meine eigene kleine Thermoformmaschine zu Hause benutzt, deshalb dauerte die Herstellung einer einzelnen Kopie jeweils eine ganze Weile.“ Uns interessierte, welches der erotischen Motive besonders anspruchsvoll zu formen war. Laut Murphy sind es Frauenhintern: „Ich habe Tage gebraucht, um alle Kurven richtig zu modellieren. Er sollte schön gleichmäßig werden, ich wollte ihm eine weibliche Weichheit verleihen, damit er sich tatsächlich wie ein Frauenhintern anfühlt. So habe ich Tage gebraucht, um alle Kurven richtig zu modellieren. Aber zuletzt habe ich das Feedback bekommen, dass er sich wirklich wie ein Frauenhintern in einem String anfühlt“, erzählt sie. Na, das muss man erstmal schaffen!
Was die Frage betrifft, ob es sich um Kunst oder Pornos handelt, “hängt es vom Auge Betrachters ab”, sagt sie.
Playboy auf Braille
Auf die Idee, erotische Bilder für Menschen mit Behinderungen zugänglich machen, sind auch schon die großen Player auf dem Markt gekommen. Das Magazin Playboy veröffentlichte einige Ausgaben für blinde Menschen in den 1970er Jahren: Gedruckt auf braunem Papier, ganz simpel mit Playboy-Logo auf dem Cover. In den Ausgaben fanden sich allerdings keine Bilder, sondern ausschließlich Artikel in Braille. Ein Playboy ohne Bilder ist ja erstmal ein eher ungewöhnliches Produkt. Wahrscheinlich liegt die Entscheidung gegen Bilder darin begründet, dass sich erotische Abbildungen nicht einfach so in Braille-Schrift übersetzen lassen. Durch die geringe Erhebung der Braille-Buchstaben würde so vermutlich eher eine Art „Rate-Bild“ entstehen, das zwar eine nackte Frau ertasten lässt, jedoch durch die geringe Plastizität der Abbildung die Erotik fehlen würde.
… und auf dem Kiez?
Ein weiterer spannender Ansatz ist das Gebärden-Wörterbuch für die Reeperbahn. Hier lernt man, mit Gebärdensprache über das zu sprechen, worüber angeblich keiner spricht. Auf die Idee gekommen ist Wolfgang Schirrmeyer, er ist selbst seit seinem zweiten Lebensjahr gehörlos. Der Autor führte jahrelang Führungen auf der Reeperbahn für gehörlose Touristen aus Japan, Israel oder Schweden durch.
Bemerkenswert ist es, dass es keine einheitliche deutsche Gebärdensprache, sondern viele regionale Unterschiede und damit unterschiedliche Dialekte gibt. Besonders verklemmt ist die Gebärdensprache übrigens nicht, vielmehr deuten die Gesten die gemeinte sexuelle Handlung häufig ziemlich explizit an. So zum Beispiel bei der Gebärde für einen Blow-Job: Hier bildet man mit den Fingern und dem Daumen einen Kreis und führt den zum Mund. Das verstehen wohl sehr viele Menschen auf Anhieb.
Mit dieser Veröffentlichung sind diese sexuellen Vokabeln nun erstmals in einem Buch gebündelt veröffentlicht worden. Das Ziel hinter dem Projekt es, mit seiner Veröffentlichung sexuelle Gebärden und das gesellschaftliche Tabu, das damit einhergeht, öffentlich zu machen.
Das Thema Barrierefreiheit ist in der Erotik-Industrie angekommen. Mit den Projekten für Inklusion von Menschen mit Behinderung wurde das Thema angestoßen und ein erster Schritt in die richtige Richtung unternommen. Wir freuen uns auf viele weitere spannende Ideen!